Schreck bei den Eröffnungsveranstaltungen
Breyell (sp). Im Jahr 1970 erlebte nicht nur der Ort Nettetal, der Lobberich, Breyell, Schaag, Leuth, Kaldenkirchen und Hinsbeck einte, seine Geburtsstunde; ebenso wurde die Stadtbücherei aus der Taufe gehoben, die ihren Platz im denkmalgeschützten ehemaligen Breyeller Rathaus fand.
„Bis heute ist unsere Bibliothek als absolute Erfolgsgeschichte verbucht“, sagt Ulrich Schmitter, seit 1983 Leiter der Stadtbücherei, nicht ohne Stolz, „Generationen von Kindern und Erwachsenen haben in unseren Büchern bereits die Schätze der Welt und der Fantasie entdeckt und ohne Ende geschmökert. Ich sehe hier auch immer wieder Mütter, die bereits selbst als Kinder ihr Lesefutter bei uns ausgeliehen haben, uns nach wie vor treu sind, und die Faszination am Lesen so an ihren Nachwuchs weiter geben.“
Im Jahr 1989 folgte dann eine Erweiterung der Bibliothek, errichtet als moderner Anbau aus Stahlträgern und Glas. „Das sorgte bei dem ein oder anderen Breyeller damals für Vorbehalte, da dort quasi zwei Epochen architektonisch und optisch auf einander prallten. Ich habe den Bau mit geplant und war ebenso wie unser Träger, die Stadt Nettetal, von der Bereicherung für unsere Bibliothek überzeugt. Und im Folgenden erwies sich unser Konzept tatsächlich als sehr erfolgreich, denn die Zahl der Leser und Ausleiher sowie der Besucher unserer beliebten Veranstaltungen wuchs und wächst bis heute kontinuierlich.“
Vor allem eine der Eröffnungsveranstaltung aus dem Mai 1989 ist ihm jedoch noch sehr gut in Erinnerung geblieben. Schmitter berichtet lachend: „Da gab es einen Schockmoment: Wir hatten den außerordentlich bekannten russischen Referenten Lew Kopelew, unter anderem Autor und Menschenrechtler, für eine unserer Eröffnungsveranstaltungen gebucht. Er sagte jedoch aufgrund von Krankheit ab. Als der Termin drei Wochen darauf in der Werner-Jaeger-Halle nachgeholt wurde, waren wir froh, dass die ursprüngliche Veranstaltung ausgefallen war: Es erschienen 250 Gäste, die natürlich locker in der Halle Platz fanden! Aber in unserem Raum in der Bücherei hätten wir nicht mehr als 100 Besucher empfangen können.“
Die Erfolgsgeschichte der Nettetaler Stadtbücherei, die nunmehr insgesamt fast 50 Jahre zählt, spiegelt natürlich auch ein Stück zeitgeschichtlichen Wandel wider: Zunächst gab es die Bücher in der Ausleihe, es kam in den 80er und 90er Jahren die Organisation von Veranstaltungen in sozialen Einrichtungen wie Seniorenheimen und Krankenhäusern hinzu. Schließlich wurden die so genannten Neuen Medien ins Programm aufgenommen, wie DVDs, Computerspiele und E-Books. „Das gedruckte Buch ist bis heute unser Hauptgeschäftsfeld, die Erweiterung des Programms durch digitale Produkte löst kein Buch ab, sie bietet eine optimale Ergänzung“, beschreibt der Bibliothekar und kündigt einen neuen Trend, für die nächsten fünf bis zehn Jahre an:
„Aktuelles Thema ist es, die Bibliothek als dritten Ort, zusätzlich zum Ausleihangebot und zu den Veranstaltungen, wie zum Beispiel dem Sommerleseclub für Kinder und der beliebten Blauen Stunde, einer Lesebühne, als Wohlfühlort zu etablieren. „Dazu könnten wir zum Beispiel kleinere Räume einrichten, atmosphärische Zonen zum ungestörten Lesen schaffen und noch anderes. Das Ganze ist zur Zeit noch in Planung. Hier entwickelt sich quasi der zentrale Nährboden für eine Vielzahl von Ideen.“
Schmitter selbst liebt seit seiner Kindheit und Jugend zwei der Klassiker der Jugendliteratur und verschlang diese mit viel Vergnügen immer wieder aufs Neue: Mark Twains Lausbubenbücher „Die Abenteuer des Tom Sawyer“ sowie die des „Huckleberry Finn“. Er erzählt schmunzelnd: „Ich lese noch heute einzelne Sequenzen aus den Büchern und kann sicher die ein oder andere Passage mitsprechen.“ Grundsätzlich lese er phasenweise jegliches Lesefutter, bis zu sechs Bücher hinter einander und pausiere dann schon mal. Sein Schwerpunkt habe sich jedoch mittlerweile von der Kriminalliteratur auf verschiedene Genres sowie vor allem den Facettenreichtum moderner deutscher Werke verlagert. „Natürlich ist es uns auch sehr wichtig, hier vor allem die deutschen Nachwuchsliteraten zu unterstützen!“
Welche Veranstaltungen sind Schmitter besonders in Erinnerung geblieben? „Das waren die Auftritte von Hans Hoeke, dem ehemaligen Amtsrichter, und dem Schulleiter a.D. des Werner-Jaeger-Gymnasiums Hans-Jakob Pauly. „Mit zehn Veranstaltungen, bis zum Jahr 2012, sind die beiden als Duo aufgetreten. In der Rückschau waren die Auftritte der Beiden bis heute die absoluten Highlights und die erfolgreichsten Veranstaltungen, die Stadtbücherei je initiierte“ schwärmt er, „mehrmals wurden Auftritte sogar wiederholt, weil die Nachfrage riesig war. Das waren die Höhepunkte meines Arbeitslebens.“
Was empfiehlt der Leiter der Stadtbücherei, um Kindern das wertvolle Lesen weiterhin schmackhaft zu machen? „Es ist vor allem die Vorbildfunktion in der Familie, sowohl von Mutter, als auch Vater, die den außerordentlichen Wert des Lesens vermittelt und ihn lebendig hält. Diese Begeisterung färbt ab, wenn man sich eben dafür Zeit nimmt“, erläutert er im Brustton der Überzeugung. So gibt es auch Kinder im Grundschulalter, die mit ihren Eltern bereits als Babys im Minibuchclub dabei waren und es heute immer noch sind. „Bei diesen Kindern ist die Stadtbücherei eine feste Konstante und die Faszination am Lesen bleibt erhalten. Genau so sollte es sein!“
Vom 10. bis zum 21. Mai wird es, zu Ehren des 30-jährigen Jubiläums der Bibliothek im Neubau, ein großes Festprogramm geben. „Am 18. Mai wird es einen Tag der offenen Tür geben. Darüber hinaus planen wir noch das ein oder andere Sahnestückchen. Es wird sicher großartig werden“, prophezeit Schmitter lächelnd.
Weitere Informationen: https://www.nettetal.de/de/kultur/kinder-und-jugendbuecherei/
Foto und Archivbilder: Susanne Peters