AfD – Mut zur Wahrheit?


Erstmals gab es einen gemeinsamen Neujahrsempfang der AfD Krefeld mit der AfD des Kreis Viersen. Zuvor fanden sich Demonstranten zu einer friedlichen Kundgebung vor der Albert-Mooren-Halle ein.

Kommentar von Susanne Jansen 

Mut zur Wahrheit bewies Christian Karpenkiel, als er am Donnerstagnachmittag offiziell schriftlich bei Facebook einräumte, einen großen Fehler gemacht zu haben: „Ich bitte die Grefrather und Oedter um Verzeihung, ich war mir der Tragweite meiner Handlung nicht bewusst.“ Um den Veranstaltungsort, die Albert-Mooren-Halle in Grefrath-Oedt, hatte es quasi bis zum letzten Tag ein juristisches Tauziehen gegeben. Pächter Karpenkiel hatte den Vertrag mit der „Alternative für Deutschland“ (AfD) zunächst gekündigt. Das Amtsgericht Kempen erließ jedoch dagegen eine einstweilige Verfügung, so dass der Empfang wie geplant stattfand.

Mut zur Wahrheit bewiesen ebenfalls rund 300 Menschen aus dem Kreis Viersen, die sich zur Demonstration einfanden: Unter den Teilnehmern waren auch Familien, vom Kleinkind bis zu den Großeltern. Alle bildeten eine friedliche Front, am Parkplatz hinter der Albert-Mooren-Halle, zeigten aber sehr deutlich, sowohl visuell, mit bunten Plakaten, Bannern und Figuren, wie auch akustisch klare Kante gegen rechts.

Als die Mitglieder der AfD und die rund 150 Gäste des Neujahrsempfangs eintrafen, hagelte es Buhrufe und Sprechgesänge, begleitet von Trillerpfeifen. Unter anderem: „Eure Kinder, werden so wie wir!“, „Nazis raus, Nazis raus!“, „Ihr könnt nach Hause gehen, ihr könnt nach Hause gehen!“, „Wir sind mehr!“ sowie „Eine Schande für Deutschland: die AfD!“.

Die Polizei war ebenfalls mit einem großen Aufgebot vor Ort. Es gab einen Platzverweis, weil ein 20-jähriger Deutscher aus Marl Teilnehmer der Demo offensichtlich animiert hatte, die polizeiliche Absperrung zu überwinden. Dies verhinderten die Einsatzkräfte. Anschließend gab es, offensichtlich angeführt von dem 20-Jährigen, so die Polizei, eine kurzfristige Sitzblockade auf der Straße. Nach dem ausgesprochenen Platzverweis löste sich die Situation auf, und die Gruppe entfernte sich von der Absperrung. Insgesamt blieb es friedlich, so das Resümee der Polizei, bei der Demonstration gab es keine Bedrohungen.

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Polemik und Diffamierung als Synonym für „Mut zur Wahrheit“

Mit dem Slogan Mut zur Wahrheit wirbt die AfD vollmundig auf ihren Plakaten. Martin Vincentz (AfD Krefeld) eröffnete mit der Begrüßung von Beatrix von Storch, der Stellvertretenden Vorsitzenden der AfD-Bundestagsfraktion sowie Stellvertretenden Bundessprecherin ihrer Partei. Ebenso hieß er Kay Gottschalk (AfD Kreis Viersen und Mitglied des Deutschen Bundestages) sowie das Publikum in der Albert-Mooren-Halle Willkommen. „Ich glaube, da wächst zusammen, was zusammen gehört, denn durch unsere gemeinsame Veranstaltung haben wir eine deutlich größere Reichweite.“ Er sprach das Publikum direkt an: „Sie haben durch die mediale Berichterstattung sicherlich mitbekommen, dass die AfD eine sehr bekannte in-aller-Munde-Partei ist.“ Sicherlich gäbe es immer Schwierigkeiten, Veranstaltungsorte zu finden, räumte er ein, betonte jedoch grinsend: „Aber Sie haben es gesehen: Draußen stehen dann immer Menschen für Sie Spalier, die Ihnen zeigen, wo unsere Veranstaltungen stattfinden.“ Stimmt! Und eben diese Menschen rütteln auf, rütteln wach und beweisen ehrlichen und partnerschaftlichen menschlichen Zusammenhalt auf Augenhöhe.

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Da Beatrix von Storch relativ klein ist, hatte sie zunächst Probleme, hinter der Kanzel wahrgenommen zu werden, bemühte sich dennoch, den Versuch zu vermitteln, über den Tellerrand blicken zu wollen. So schwadronierte sie wenig eloquent, dafür umso wortreicher, inmitten einer Kulisse, geziert von zwei Parteiplakaten, von denen eines eine glückliche Familie präsentierte. Sie stellte strahlend fest: „Man macht uns das Leben als Partei fast unmöglich. Man versucht uns aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen. Wir müssen uns damit auseinander setzen, dass man versucht, uns mit Gewalt, im Namen der Toleranz, der Demokratie, der Buntheit, der Vielfalt und der Aufrichtigkeit aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen – der Mob auf der Straße.“ Das Publikum quittierte dies mit Zustimmung und Gelächter. In dieser friedlichen, von ihr als „Mob“, bezeichneten Kundgebung jedoch, befanden sich eben solche glücklichen Familien, wie auf dem Poster der AfD plakativ als Werbemotiv missbraucht, die auf ihre herzliche Art ehrlich Zusammenhalt, Menschlichkeit und Überzeugung demonstrierten.

Worthülsen und Suggestion statt klarer Linien

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Die Entwicklung der AfD sei atemberaubend, mit Stimmenpotenzial von 20 bis 25 Prozent, so Beatrix von Storch. „Das sind Zahlen, von denen träumt die SPD nicht mal mehr.“ Dies sei ihre Botschaft zum Neujahrsempfang: „Wir können regieren, wir wollen regieren, und wir werden regieren. Zieht euch mal alle warm an!“ Außerdem lobte von Storch die politische Entwicklung der vergangenen zehn Jahre in Schweden. „Begriffe wie Rechtspopulismus nutzen sich ja so ein bisschen ab. Und ich habe mich früher über den Begriff Rechtspopulist sehr geärgert. Aber heute sage ich: Drunter mache ich es auch nicht mehr.“ Damit erntete die Politikerin erneut zustimmendes Gelächter durch sämtliche Parteianhänger in der Halle. Sie orientiere sich am Vorsitzenden der schwedischen rechtspopulistischen Partei, „dem nun glaubwürdigsten Politiker des Landes“. „Da haben wir noch aufzuholen!“, bläst Beatrix von Storch überzeugt zum Kampf. Die AfD blicke weise voraus, in das zehnte Jahr ihrer Gründung: „Im Jahr 2023 spätestens sind wir an der Stelle und werden beginnen.“ Die Partei ziehe klare rote Linien und wolle alles noch professionalisieren. „Das sag ich unter uns: Wenn alle wüssten, wie viel Verbesserungspotenzial wir noch haben, dann würde denen ganz schwummerig werden, obwohl wir natürlich schon sehr gut sind.“

Aus Sicht der Stellvertretenden Vorsitzenden der AfD-Bundestagsfraktion werde vor allem das große Thema Energie im laufenden Jahr sehr nach vorne rücken. „Ich glaube, dass es in der Dramatik bei einigen noch nicht angekommen ist.“ Zwei ein halb Millionen Arbeitskräfte seien von den Energie intensiven Industrien abhängig. „Wir werden Weltmeister, hinsichtlich der Energiepreise, was bedeutet, dass die Arbeitskräfte schnell zurückgehen und irgendwann weg fallen werden. Und die CDU kommt an und sagt: Sie will diese Arbeitskräfte bewahren“, sagt Beatrix von Storch und unterstellt: „So richtig sagen sie das ja nicht, aber wenn man sie fragen würde, dann würden sie sagen: Klar wollen wir die Arbeitskräfte bewahren.“

„Sternstunden dank Idioten“

Die AfD fordert offiziell, den aus ihrer Sicht „ideologisch begründeten Kohleausstieg rückgängig zu machen, um die Energie-Versorgung innerhalb Deutschlands nicht zu gefährden“. Sie suggeriert, dass, „selbst wenn es Tausende von hoch subventionierten Wissenschaftlern, NGOs (nicht staatliche Organisationen) und Ministerialangestellten Tag für Tag versuchen würden, es doch bislang keinen Nachweis dafür gibt, dass der von Menschen gemachte Anteil am CO2 einen signifikanten Einfluss auf das Klima hat.“

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Sigmar Gabriel (SPD) habe den Ausstieg aus Kernkraft und Kohle als wirtschaftlichen Selbstmord bezeichnet. „Kluger Mann!“, ruft Beatrix von Storch und fügt hämisch hinzu: „Wir machen also wirtschaftlichen Selbstmord, mit der Kanzlerin vorneweg. Warten wir erst mal ab, wie toll das alles wird, wenn die Grünen, als Koalitionspartner der CDU, regieren. Die wollen sozusagen Doppelselbstmord machen! Diejenigen, die uns gewählt haben, haben uns als Abgeordnete in das Parlament geschickt und haben uns ermöglicht, Sternstunden der Demokratie zu erleben. Vielen Dank dafür!“ Als Beispiel führt sie ein Erlebnis bei der Haushaltsdebatte des vergangenen Jahres auf. Der Finanzminister habe sich vor das Plenum gestellt und es geschafft, dass es, insbesondere in den Reihen der SPD, sehr leise geworden sei. Beatrix von Storch: „Er sagte: Wir werden immer gefragt, warum wir unsere Kohlekraftwerke abstellen sollen, wo doch in der ganzen Welt 1.400 Kohlekraftwerke gebaut werden. Deshalb: Weil es CO2-mäßig keine Auswirkung hat, wenn wir das in Deutschland tun, während die Welt etwas ganz anderes macht. Und wir werden immer gefragt: Aber warum macht ihr das denn dann?“ Alle seien gespannt gewesen, wie man dies rhetorisch noch klug beantworten könne. „Und dann hat er gesagt: Und ich sage ihnen warum wir das trotzdem machen – weil wir es können!“ Beatrix von Storch lachte. „Das sind Sternstunden, weil man merkt, dass man es mit Idioten zu tun hat!“, hetzt sie laut und bleibt dabei argumentativ gewohnt still.

Schließlich widmete sich die Stellvertretende Bundessprecherin der AfD noch dem Thema Terrorismus: „Das hängt zusammen mit dem Thema Islam. Selbstverständlich sind nicht alle Muslime Terroristen.“ Jedoch es gäbe zu viele Muslime, die den Terrorismus unterstützen und fundamentalistisch unterwegs seien, zu viele in absoluten Zahlen. „Die relativen Zahlen unter den Muslimen sind egal, es zählen die absoluten Zahlen“, behauptet von Storch und vernachlässigt obendrein komplett die Relation zur Gesamtzahl statistischer Terrorfälle in Deutschland, eben auch solcher, die nicht im Zusammenhang mit anderen Kulturen stehen.

Kommentar: Fazit zum Neujahrsempfang

Regionalpolitik wurde am Rande bis gar nicht touchiert. Viel Wind um nichts. Viele Beleidigungen. Keine Argumente. Verwendung schlichter rhetorischer Mittel. Am meisten beeindruckten an diesem Abend die Demonstranten, die nicht für die rechtspopulistische Partei warben, sondern dafür sorgten, dass die profilneurotische Heuchelei der „Alternative für Deutschland“ erneut deutlich in die Diskussion gerückt ist.  

Text und Fotos/Slideshow : Medienagentur Niederrhein, Susanne Jansen

Weitere Informationen (Beobachtung durch den Verfassungsschutz): https://www.sueddeutsche.de/politik/afd-verfassungschutz-fluegel-1.4701755 und https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/afd-verfassungsschutz-157.html

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