– „Wird der Klimanotstand weiter ausgesessen?“ –
Lobberich (sj). Als erste deutsche Stadt rief Konstanz im Mai den „Klimanotstand“ aus. Wenige Wochen darauf folgten 20 Kommunen und Kreise in Nordrhein Westfalen dem Beispiel der Bodensee-Stadt.
Auch in Nettetal stellten vier Privatbürgerinnen und -bürger einen entsprechenden Antrag, für die Umsetzung geeigneter Maßnahmen zur Klimaneutralisierung. Eine davon ist Vera Thelen, die heute mit mehreren Mitstreitern vor dem Ratssaal demonstrierte.
„Ich fühle mich schlichtweg verarscht. Ich habe den Antrag bereits im März gestellt, dann erfuhr ich Wochen später, dass man bei den Grünen gar nichts von meinem Antrag wusste. Und passiert ist bis heute nichts.“ Von Seiten der CDU habe es schließlich geheißen, der Ausdruck Klimanotstand sei zu negativ, so Thelen. „Nun offenbarte sich, dass die CDU selbst einen Antrag stellt, im Sinne der weich gespült definierten Klimafreundlichkeit – das ist doch reine Volksverdummung.“
Was sagt Klimaschutz-Manager Musa Sahin zu den bisher generell umgesetzten Maßnahmen des Integrierten Klimaschutzkonzeptes der Stadt Nettetal, aus dem Jahr 2015? „Alle unsere Mitarbeiter im Rathaus achten darauf, dass sie bewusst das Licht und die Heizung ausmachen und ihren Rechner in den Energiesparmodus versetzen, wenn sie nicht am Platz sind.“ In Dortmund seien durch das bewusste Verhalten der Mitarbeiter innerhalb eines Jahres 14 Prozent Strom eingespart worden, beruft er sich auf eine Statistik. „Außerdem werden seit Beginn dieses Jahres alle städtischen Einrichtungen durch die Stadtwerke mit Ökostrom versorgt.“
Passiert sei jedenfalls, seit Vera Thelen den Antrag auf Klimanotstand einreichte, von Seiten der Stadt Nettetal nichts. „Ganz im Gegenteil die CDU teilte mir mit, dass der Ausdruck unpassend sei und zu sehr verängstige. Ich bekam sogar zu hören, dass es sich um Populismus und Effekthascherei handle.“
Das sehen Vera Thelen und ihre DEMO-Begleiter entschieden anders: „Und nun präsentiert sich die CDU auch noch selbst mit einem Antrag und sehr ähnlichen Ideen auf eine weich gespülte „Klimafreundliche Stadt Nettetal“. Dadurch gerät doch die Realität aus dem Fokus! Es brennt mir total unter den Nägeln, hier passiert einfach viel zu wenig, es scheint sogar um Eitelkeiten zu gehen.“
Vera Thelen will, dass in Nettetal Worten Taten folgen. Der nächste Umweltausschuss folgt im November. „Bereits vor dem letzten habe ich meinen Antrag gestellt und werde einfach ignoriert. Es kann nicht sein, dass hier in Nettetal erst mal alles ausgesessen wird und jetzt die CDU so tut, als ob alles auf ihrem Mist gewachsen sei, indem sie einfach nur eine eigene Formulierung wählt.“
Angela Müllers ist überzeugt: „Mit Haarspaltereien wird Zeit verschwendet und Augenwischerei betrieben, damit ist uns und allen Nettetalern nicht geholfen. Das Wort Notstand macht den realistischen Ernst der Lage klar und rüttelt wach. Nicht nur wir als Antragsteller, eben niemand in Nettetal will veräppelt werden!“
Im Kreis Viersen wurde der Klimanotstand bereits ausgerufen. In der Stadt Viersen hat Melanie Heidelberger die Erfahrung gemacht: „Die Leute wissen gar nicht, wie ernst es ist und fühlen sich durch Demonstrationen sogar verunsichert! Viele sehen die Realität nicht und sagen: Es wird doch schon genug gemacht – jetzt beruhigen Sie mich doch mal bitte! Nein, nicht beruhigen, sondern aufwecken und handeln. Die Realität sieht eben einfach anders aus, hier muss viel mehr passieren!“
Hajo Siemes (WIN-Partei), kurz vor der Ratssitzung in einem eigenen Antrag: „Für uns ist die Ausrufung des „Klimanotstands“ ein symbolischer Akt. Mit diesem erkennen wir als Kommune offiziell an, dass es eine Klimakrise gibt und im Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung mehr auf kommunaler Ebene getan werden muss, um die Klimakrise zu begrenzen. Akademische Definitions-Erklärungsveruche des Begriffs sind unserer Ansicht nach unangemessen: Die Menschen wollen kein langes Gefasel über Wortklaubereien, sondern das endlich mehr passiert als in der Vergangenheit und umfangreichere Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise sehen.“
Renate Dyck (SPD) wenige Minuten vor der Ratssitzung: „Wir beraten fraktionsübergreifend. Nur die WIN-Partei macht ihr eigenes Ding; sie haben ihren eigenen Antrag formuliert. Damit erreicht man nichts, Formulierung hin oder her; bisher wurde eben schlicht und einfach in Nettetal nicht genug getan.“
Dyck zur DEMO: „Wir finden es gut, dass die Bürger nicht mehr warten, sondern aufstehen und sich bemerkbar machen.“

Text und Fotos: Susanne Jansen