Kommentar von Susanne Jansen
Passanten eilen vorüber, hin und her und her und hin. Geschäftiges Treiben? Nicht mehr. Nicht wie früher. Das ist seit circa 20 Jahren vorbei. „Da draußen“ ist es stiller geworden, in Zeiten von Amazon und Co. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, sagt der Volksmund. Es ist ja auch leicht, am Schreibtisch sitzend dies und das zu bestellen. Eine CD, ein Buch, eine Hose, eine vollständige elektronische Ausstattung. Nur wenige Klicks, in den virtuellen Einkaufswagen schieben: 3, 2, 1 – meins! Fast. Das Porto, naja, wenn ich mit dem Auto unterwegs bin, verfahre ich auch Sprit. Noch ein wenig Lieferzeit aushalten, und dann ist es da – mein Objekt der Begierde. Aber nicht nur. Unter Umständen geht noch mehr, es ist ja so einfach. Wenn ich will, kann ich jeden Tag ein Gefühl von Weihnachten haben – wenn erneut der Paketbote vor der Tür steht. Plakativ springt mich etwas unter meinem Objekt der Begierde an: „Kunden, die dieses kauften, kauften auch jenes.“ Wer hat noch nicht, wer will noch mal? Und nochmal und nochmal! Bestellen von der Stange. Unbesehen. Wie im Rausch. Konsumrausch. Werteverlust.
Früher rannte auch nicht der Verkäufer strahlend um die Ecke, sobald ich ein Teil im Einkaufswagen „gesichert“ hatte und sprang mich mit glückseligem Strahlen, beinahe hysterisch, an: „Junge, Frau!“ (Naja.) „Kunden die mit dieser Bluse aus der Kabine kamen, nahmen auch jene Hose mit! Bitteschön, kaufen Sie! Es ist so einfach!“ Bei dieser Vorstellung muss ich lachen. Aber eigentlich bleibt mir das Lachen im Halse stecken. Denn mal davon abgesehen, dass ich nur kaufe und kaufen möchte, was ich wirklich brauche oder persönlich mag, also, bewusst auswähle, ist die Verführung allgegenwärtig. Und wenn allzu häufig der Verführung nachgegeben wird, ist auch der Reiz irgendwann weg. Es gibt jedoch Menschen, die können dem einfach nicht widerstehen, und das sind sicher nicht wenige. Wir sind eine Konsumgesellschaft geworden. Und gerade in Zeiten wie diesen, wird uns das sehr bewusst.
Ich erinnere mich an früher. Dabei ist früher noch gar nicht so lange her. Früher war auch nicht alles besser. Aber manches schon. Früher standen 20 Fahrräder in der Lobbericher Fußgängerzone, aufgereiht vor dem Ringkaufhaus, und warteten einträchtig auf ihren von den Geschäften verschluckten Besitzer. Auch nach Viersen oder Mönchengladbach bin ich gerne gefahren. Hier und da also in den Läden stöbern, und schließlich machte sich ein Gefühl der Erleichterung breit, sobald ich alle Weihnachtsgeschenke, am besten frühzeitig, beisammen hatte. Internetbestellungen sind einfach. Aber ihnen fehlt etwas Wesentliches: das sinnliche Erleben, etwas in Natura in die Hand zu nehmen, die Qualität und Größe per Augenmaß bestimmen. All das geht uns verloren. Und damit ein Stück Lebensgefühl.
Auch wenn das auf den einen oder anderen befremdlich wirken mag: So liebe ich es auch, an Bücherregalen hochzuschauen, ein Buch in die Hand zu nehmen, und mir obendrein die Gestaltung genau anzuschauen. Und dabei befinde ich mich inmitten von Menschen. Ich treffe eine Bekannte, ein freundlicher Gruß, ein kurzes Gespräch, ein Lächeln. Der neueste Klatsch. Och, komm‘, so ist das halt unter Menschen. Die Verkäuferin berät über die Qualität der Ware, ein freundliches Lächeln, ein Dankeschön. Zufrieden. Sie. Ich auch. Manchmal ergibt sich auch ein mehr oder weniger tiefsinniges Gespräch, einfach so, über den Alltag. Ich bin Teil einer Gemeinschaft, das Gefühl: Alle sitzen irgendwie in einem Boot.
Die Sinnlichkeit, das sinnliche Erleben des persönlichen Einkaufs im Einzelhandel, die persönliche Interaktion von Mensch zu Mensch, ehrlich, von Angesicht zu Angesicht, lässt sich nicht ersetzen. Ein Klick und schnell bestellt ist nicht das Gleiche, wie vom freundlichen Apotheker, manchmal auch etwas zeitintensiver, beraten zu werden. Er ist zufrieden, und ich gehe mit einem guten Gefühl nach Hause. Ebenso wenig hat das Bier, mit dem jemand vor dem Monitor sitzt, beim „Zocken“, Chatten oder „Surfen“ genossen, etwas mit der Geselligkeit der einstigen Kneipenbesuche gemein. Hier sehe ich nicht das wahre Leben; hier schaue ich durch ein verzerrtes Fenster, Information und Desinformation verschwimmen immer mehr. Was ist hier wirklich wichtig, und wer kann das noch unterscheiden?
Ein Tipp: Internet-Konsumenten, welche im Startmenü auf „Aus“ klickten, entschieden sich auch für „Herunterfahren“ oder „Abmelden“ (beim Smartphone). Probieren Sie es aus. Es räumt das Hirn auf und macht wieder empfänglicher für Plastizität und sinnliches Erleben und damit für gefühlte Lebendigkeit.
Und nirgendwo sonst geht Einkaufen mit Herz wie eben vor der eigenen Haustür. Hier schließt sich auch der Kreis für Mensch und Umwelt: Das Heimatshoppen fördert das Gemeinschaftsgefühl im Ort. Neues lässt sich entdecken, die Menschen begegnen einander, verbinden sich, „klönen“ und tragen so zur Lebendigkeit der Gemeinde bei. Das sind Attribute die beim reinen Online-Kauf vollständig verloren gehen. Gleichermaßen sorgen lokale Käufer dafür, dass Arbeitsplätze erhalten bleiben und die ansässige Wirtschaft unterstützt wird – eine Win-win-Situation für alle!
Titelbild
Im Internet zu bestellen ist leicht, aber zweidimensional.
Text: Medienagentur Niederrhein, Susann Jansen und Foto: pixabay