– Torsten Sträter: „Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben“ –
Lobberich (sp). Die Werner-Jaeger-Halle war bis auf den letzten Platz ausverkauft, als sich Kabarettist Torsten Sträter am vergangenen Samstag gewohnt skurril und schonungslos offen die belustigte Ehre gab. Der Dortmunder ist Gastgeber im kultigen Männerhaushalt des WDR, in dem er regelmäßig namhafte Gäste begrüßt. Ebenso ist er als Buchautor sowie Poetry Slammer bekannt und wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Publikumspreis des Prix Pantheon und dem Jury Preis des Großen Kleinkunstfestivals.
Aus dem Stand stürzte sich Sträter wissbegierig auf das Publikum, interagierte dabei pfiffig und frech, äußerte sich gebildet, aber auch vulgär, provozierte unaufgeregt und gewohnt anarchisch. Auch die Pressevertreterin in der ersten Reihe blieb dabei nicht verschont; so scherzte er: „Sie sind bei der Presse? Was sind Sie denn für ein Hammerschuss? Dort sind doch normalerweise nur Damen mit Strickrock bis übers Knie!“
Auf dem T-Shirt eines Gastes in der ersten Reihe entdeckte Sträter den Spruch: Früher war alles besser. „Wieso war früher alles besser?“, wollte er wissen, „ich bin kein Nostalgiefan und blicke nicht zurück.“ Trotzdem gab es einen kurzen Ausflug in seine Kindheit und bekannte elterliche Phrasen wie „So lange du deine Beine unter unserm Tisch hast…“ wurden durch den Kakao gezogen. „In unserem Alltag gibt es viele Sinn freie Phrasen, wie zum Beispiel die Frage: Na, schläfst du schon?“, so habe er fest gestellt, „da kannst du auch ins offene Grab gucken und fragen: Na, schon tot?“ Auch an die Bravo der 80er erinnert sich der Dortmunder, mit Postern von Limahl, „etwas zwischen Mann und Sittich“, und gab zu bedenken, dass es doch im Hinblick auf den damals fragmentierten Starschnitt mit dem Internet heute viel einfacher sei.
Dem Publikum gefiel’s: Immer wieder gab es brüllendes Gelächter und tosenden Applaus. Währenddessen gab Sträter auch eigene Macken und skurrile Geschichten aus seinem Alltag zum Besten und las drei besonders unterhaltsame Erlebnisse vor. „Bei der Konfirmation meines Sohnes habe ich fest gestellt, dass ich mich in Kirchendingen gar nicht mehr auskenne. Ich begann laut ‚Personal Jesus‘ zu singen und habe mich total blamiert.“ Während eines Frühstücks im Urlaub habe der Langschläfer, die Augen hinter einer Sonnenbrille versteckt, Mousse au Chocolat mit Leberwurst verwechselt und im heimischen Fitness Center sei er auf einen berstenden Staubsaugerroboter anstatt auf eine Waage gesprungen. „Hier in Nettetal kann ich das ja ruhig erzählen, das kriegt ja eher keiner mit“, setzt er noch einen oben drauf, „ich verwechselte einmal einen getrockneten Senseopad mit einem Oreokeks – 25 Minuten lang musste ich mir die Zähne putzen.“
Auch das afrikanische Ungeziefer haderte mit ihm; so verlas er aus einer Reisereportage: „Dritter Tag. Immer noch nicht geduscht. Die Moskitos stechen nicht mehr.“ Auch belustigte der vielfach prämierte Dortmunder sich wiederholt angesichts der ländlichen Gegebenheiten Nettetals. „Also Hundezwinger ist ja schon schlimm genug. Aber unterwegs habe ich ein Schild gesehen, darauf stand „Pferdeboxen“. Wo bin ich hier gelandet?“ Außerdem freute er sich: „Auf dem Weg hierher habe ich tatsächlich mein erstes Einhorn gesehen, oder war es doch ein Pferd mit Möhre auf dem Kopf?“
Neben allem verrückten Spaß, zum Beispiel dem, dass man dem Komiker Helene Fischer nackt auf den Bauch binden könne und er so lange renne, bis sie abfalle, gab es auch komisch-ernste Momente. Zum Beispiel dann, wenn der 50-Jährige sagt, dass er angesichts der vergangenen Jahrzehnte und Erlebnisse eine Art persönliche Weisheit erkenne und ironisch meint: „Ich mache keine Diät mehr, das lohnt sich nicht. Was soll das? ‚Guck mal der schlanke Rentner – das braucht keine Sau!“ Obendrein rät er jedoch: „Gehen sie ab 50 ruhig mal zum Arzt. Es bringt nichts, mit 60 an etwas Unbekanntem zu sterben.“
Am Ende eines sehr kurzweiligen und spaßigen Ausnahmeabends gab es noch ein paar spezielle Abschiedsworte: „Ich bin ein Mensch wie du und ich. Ich möchte gerne, dass Sie ‚raus gehen und sagen: Was war das denn? Und denken: Das reicht für die nächsten zwei Jahre!“ Grinsend schießt Sträter hinterher: „Diese Schlussfolgerung ist eine Mischung aus Mathe und Magie: Egal wie viel Spaß Sie hatten, ich hatte mehr!“
Text und Fotos: Susanne Peters