Kommentar von Susanne Jansen
Fällt es Ihnen ebenfalls auf? Die Stimmung in unserer Gesellschaft scheint sich zunehmend zu verschlechtern. Im Straßenverkehr wird es aggressiver und hektischer, es wird mehr gedrängelt. Auch Diskurs wird immer schwieriger. Woher kommt diese Kluft, die immer tiefer zu werden scheint? Ein Blick auf soziale Netzwerke zeigt schnell: Es geht längst nicht mehr nur um unterschiedliche Meinungen, vielmehr herrscht überwiegend schwarz-weiß-Denken. Da sind die einen und die anderen.
DIE WURZELN
In meiner Wahrnehmung begann es allmählich in der Anfangszeit der Corona-Krise. Die Menschen waren verunsichert, ständig gab es angstauslösende Hiobsbotschaften, die die herrschende Verunsicherung noch verstärkten. Verwirrung aufgrund politisch nicht nachvollziehbarer Entscheidungen, leere Versprechungen. Seit Jahren dominieren Zukunftsängste aufgrund vermeintlicher Knappheit, steigender Lebensmittelpreise, erhöhter Mieten, einem Unterangebot an Mietwohnungen und weiteren Dingen. All das führt zu Angst und Unmut. Das wiederum entlädt sich zwischen den Menschen auf der direkten alltäglichen Kommunikationsebene. Populismus und Polemik scheinen zum Ablassventil geworden zu sein. Jeder fühlt sich im Recht. Recht. Was ist das eigentlich? Kann man das besitzen? Braucht man das? Wo kommt das Wort „Recht“ überhaupt her?
DIE MEDIEN
Hinzu kommt die Rolle der Medien, insbesondere der sozialen Netzwerke, wo repräsentierte Meinungen oft lauter als Fakten sind und Polemik Argumente ersetzt. Algorithmen stellen die Realität verzerrt bis falsch dar und rufen dabei weitere Kommentatoren auf den Plan. Eine Spirale: Wer sich in digitalen Filterblasen bewegt, kann selbst den Blick für das, was richtig oder falsch ist, verlieren. Diskussionen enden in verbalen Schlammschlachten, differenzierte Debatten weichen Kampfparolen. Wer anders denkt, wird nicht mehr als Mensch mit Argumenten wahrgenommen, sondern als Feind. Das scheint mittlerweile zur Gewohnheit mutiert. Was früher Stammtischgerede war, findet heute über soziale Netzwerke eine ungebremste Verbreitung. Anonymität macht scheinbar mutig und in Wahrheit rücksichtslos. Beleidigungen, Drohungen, bis hin zu Gewaltfantasien – all das ist keine Seltenheit mehr. Wer eine differenzierte Diskussion einfordert und mit Argumenten aufwartet oder an die eigene Wahrnehmung appelliert, wird häufig ausgelacht.
VERGIFTUNG
Diese Vergiftung des einstigen sozialen Miteinanders bleibt nicht ohne Folgen. Hassrede verroht nicht nur die Sprache, sondern auch die Gesellschaft selbst. Was online beginnt, findet offline aus der Anonymität der sozialen Netzwerke heraus seine Fortsetzung. Die Eskalationsstufen steigen, auch in der Öffentlichkeit. Es wird demonstriert. Aber gegen was eigentlich? Und während einige von dem Chaos profitieren, indem sie gezielt weiter mit Parolen Öl ins Feuer gießen, wird weiter die falsche Richtung eingeschlagen, und die eigentliche Lösung bleibt auf der Strecke: die klare Sicht und der echte Dialog auf Augenhöhe. Wollen wir das weiter verantworten?
DIE LÖSUNG
Die Antwort kann also nicht sein, sich in die eigene Blase zurückzuziehen, das eigene lineare Gedankengut, auf sich selbst zurückgeworfen, weiter geradeaus zu pflegen und „die andere Seite“ als hoffnungslosen Fall abzutun. Stattdessen müssen wir alle wieder lernen, uns selbst ehrlicher zu reflektieren und den Menschen zuzuhören. Wir müssen Medienkompetenz stärken, nicht alles glauben, was wir sehen oder lesen und den Computer auch mal abschalten oder das Smartphone in der Schublade lassen. Wir müssen uns begegnen, miteinander lachen, eine neue, bewusste Kultur des Respekts schaffen, die Meinungsfreiheit nicht mit schrankenloser, rechthaberischer Hetze verwechselt: Wir müssen wieder mehr Verantwortung übernehmen. Eine gespaltene Gesellschaft kann nicht gedeihen. Sie kann nur weiter zerfallen. Und nach dem Chaos?
Text: Medienagentur Niederrhein, Susanne Jansen, Bild: Gemini