„Hallo, hallo! Können Sie mich hören?“


Übung für den Ernstfall

Wankum/Nettetal (sp). Der Himmel war azurblau, und strahlender Sonnenschein ergoss sich über die Blaue Lagune. Das Wasser glitzerte und funkelte, mittendrin drehte ein Boot der Feuerwehr Nettetal seine Runden. Das Wetter meinte es gut mit dem Einsatzteam und präsentierte sich als perfekt für die Übungsaktion der Feuerwehrtauchergruppe.

„An einem hochsommerlichen Tag können sich bis zu 1.000 Leute hier aufhalten“, sagte Taucheinsatzleiter Jörg Hein, „das Wichtigste ist, im Ernstfall schnell zu reagieren und sich entsprechend lebensrettend zu verhalten.“ Die Rettungsschwimmer der Blauen Lagune hatten sich allesamt versammelt und Hein schilderte den Ablauf der geplanten Übung sowie das Verhalten im Ernstfall. Einmal im Jahr wird eine Rettungsaktion im Zuge eines Tauchunfalls simuliert. „Ziel der Übung ist es, die Zusammenarbeit zu trainieren, den Verunglückten zu bergen und von Anfang bis Ende lückenlos die lebensrettenden Maßnahmen anzuwenden“, erläuterte er.

So müssen die Rettungsschwimmer bei einem Tauchunfall sofort vor Ort die Erste Hilfe-Maßnahme einleiten, die Feuerwehr übernehme dann an Land und setze den Einsatz nahtlos fort. „Wichtig ist es vor allem, schon wenn der Notfall erkennbar ist und das Ersthelfer-Team losfährt, zeitgleich einen Notruf an die Feuerwehr abzusetzen“, betonte Hein, „jede Sekunde zählt. So ist es wirklich bei einem solch lebensgefährlichen Unfall.“ Als erstes müsse das Unfallopfer so schnell wie möglich aus dem Wasser geholt werden. Bereits auf dem Boot werde mit lebensrettenden Maßnahmen begonnen, die an Land nahtlos fortgesetzt werden müssen, fügte der Einsatzleiter hinzu.

Der ernste Hintergrund der Übung war allen Beteiligten klar, trotzdem wurde natürlich während der Übung auch gescherzt. „Sollen die Taucher näher an Land?“, wurde der Übungsleiter vom Boot aus über Funk gefragt. Das sei ja langweilig, lautete im gleichen Atemzug die belustigte Einschätzung. Dann jedoch wurde es ernst. Damit sich niemand der anwesenden Badegäste erschrak, erklang ein lauter Ruf aus dem Boot, das sich mitten auf dem See befand: „Übung: Tauchunfall!“ Sogleich wurde offenbar, dass die beiden Taucher, die mit an Bord gewesen waren, sich kopfüber unter Wasser befanden und nur ihre Flossen über der Oberfläche zappelten. Schließlich trieb einer der Körper leblos oben. Die Rettungsschwimmer hatten sich längst bäuchlings auf ihre Boote geschwungen und waren, vom Strand aus, zum Einsatzort geschwommen. Der verunglückte Taucher sowie sein Kompagnon wurden geborgen und mit dem Boot zum Strand gebracht. Dort erklärte und demonstrierte Jörg Hein den jungen Ersthelfern mithilfe eines Dummies und des „bewusstlosen Unfallopfers“ noch einmal im Detail die wesentlichen Leben rettenden Maßnahmen.

„Das Wichtigste ist es, bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand schon im Boot mit Herzdruckmassage anzufangen. Circa fünf bis sechs Minuten danach ist der Sauerstoff für die Herztätigkeit verbraucht und der Patient muss beatmet werden“, sagte er mit Nachdruck. Der komplette Hergang von Beginn der Rettung an dürfe nicht unterbrochen werden. „Der Patient kommt von Wasser zu Land. Dort wird die Herzdruckmassage fortgesetzt. Einer übernimmt das Kommando“, beschrieb Jörg Hein den Einsatz im Ernstfall.

„Wie stelle ich überhaupt fest, dass jemand Herz-Kreislauf-Stillstand hat?“, wollte er wissen. „Atmung, Bewusstsein, Ansprechbarkeit“, lautete die Antwort. Wie dies heraus gefunden werden könne, wollte er weiter wissen. „Ansprechen und anfassen“, antworteten die Rettungsschwimmer. „Ich muss den Patienten laut ansprechen: Hallo, hallo! Hören Sie mich?“, demonstrierte Hein, „ich muss feststellen, ob er bewusstlos ist. Verspürt er Schmerzreize?“ Auch die Atmung könne man geschickt überprüfen: „Man sieht und hört, ob jemand atmet. Dann hebt und senkt sich der Brustkorb.“ Nach der Herzmassage müsse also die Atmung beginnen. „Dabei muss man genau darauf achten, dass der Kopf überstreckt ist und überstreckt bleibt. Was passiert denn sonst?“, fragte er. „Sonst bläht sich anstelle der Lunge der Bauch auf“, kam die korrekte Antwort von einem Ersthelfer.

„Wenn er erwacht, gehört er in die stabile Seitenlage. Die Maßnahmen müssen fortgesetzt werden, bis der Rettungsdienst da ist“, setzte der Einsatzleiter der Tauchübung seine Ausführungen fort, „auch wenn jemand wach und ansprechbar ist, ist Sauerstoffgabe wichtig. Der Verunglückte soll außerdem, entgegen früherer Aussagen, viel trinken und sein Oberkörper soll hoch gelagert werden, bis der Rettungsdienst kommt und übernimmt.“

Zum Schluss insistierte Hein noch einmal ernst: „Je eher man im Wasser mit den Maßnahmen anfängt, um so besser ist der Ausgang.“ Was mit dem Tauchgerät passiere, will einer der Trainingsteilnehmer wissen. Das werde ebenfalls an Land geholt und von der Polizei sicher gestellt, antwortete Hein. „Der Tauchcomputer wird ausgelesen und die Daten werden evaluiert, um fest zu stellen, was passiert ist.“ Auch den Tauchbegleiter dürfe man nicht vergessen. Er müsse betreut und ebenfalls beobachtet werden, um ihm bei neurologischen Ausfällen schnell helfen zu können.

„Zum Glück ist es hier in den ganzen Jahren noch nie zu einem Ernstfall gekommen“, weiß der Einsatzleiter der Tauchübung, „aber sollte doch mal etwas passieren, sind wir auf jeden Fall bestens gerüstet.“

Alle Fotos: Susanne Peters

 

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Die Taucher bereiten sich auf die Übung vor.

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Einmal im Jahr wird in dem Strandbad „Blaue Lagune“ der Ernstfall geübt.

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Letzter Check bevor es ins Wasser geht.

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Notfall erkannt – sofort machen sich die Rettungsschwimmer auf den Weg.

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Die Taucher werden geborgen.

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Die Taucher werden auf das Rettungsboot gehievt.

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Von nun ab beginnen die lückenlosen Rettungsmaßnahmen.

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Es zählen Sekunden.

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Der Verletzte wird geborgen.

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Üben für den Ernstfall – die Versorgung zwischen Ersthelfern und Feuerwehr funktioniert reibungslos.

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Lebenswichtige Beatmung mit hundertprozentigem Sauerstoff.

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Das Unfallopfer muss überstreckt werden und bleiben – dabei hilft ein spezielles Kissen.

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Lebensrettende Maßnahmen während des Wartens auf den Krankentransport.

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Jörg Hein zeigt, wie eine Herzdruck-Massage optimal funktioniert.

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Für den Notfall üben mit dem Dummy.

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Auch wenn der Patient bei Bewusstsein ist, ist eine zusätzliche Sauerstoffversorgung wichtig.