„Mama, so ist das richtig!“


– Den Geflüchteten sprachlich ihren Weg ebnen –

Waldniel (sp). Fakt ist: Flüchtlinge haben bis zum Abschluss ihres Asylverfahrens keinen Anspruch auf Integrationsmaßnahmen. Oft dauert es Jahre, bis endgültig Klarheit über das Aufenthaltsrecht herrscht. Im Hinblick auf eine mögliche Integration erscheinen diese Jahre als vertane Zeit. Vertane Zeit, zum Beispiel in dem Sinne, die deutsche Sprache nicht erlernen und sich nur schwer verständigen zu können. Denn Sprachkurse sind in der Regel sehr teuer und mit Fahrkosten verbunden. Das können sich die Flüchtlinge nicht leisten, und ohne Sprachkenntnisse wiederum, ist es für sie praktisch nicht möglich, eine Arbeit finden.

Aber hier beißt sich die Katze zum Glück nicht in den Schwanz, sondern im Evangelischen Gemeindezentrum Waldniel und in Vogelsrath, wird für Abhilfe gesorgt: Beim Asylkreis Schwalmtal sind ehrenamtliche Deutschlehrer beschäftigt, die dank ihrer besonderen Initiative mit viel Herz und Geduld helfen, den Flüchtlingen sprachlich ihren Weg zu ebnen. Eine von ihnen ist Susanne Neuls. Gemeinsam mit ihren Kollegen erteilt sie Unterricht in verschiedenen Schwierigkeitsstufen, vom Anfänger bis zum Fortgeschrittenen.

Der Unterricht beginnt mit einem Stuhlkreis, bei dem die Teilnehmer des Kurses über ihre aktuelle Lebenssituation sprechen, von Erfolgserlebnissen berichten, Sorgen und Nöte besprechen und allgemeine Erfahrungen austauschen. Susanne Neuls hört zu, ermutigt, vermittelt und gibt Tipps.

Bei der anschließenden Teilnahme im Unterricht fühle ich mich dann in meine eigene Schulzeit zurückversetzt. Es werden Arbeitsblätter verteilt. Eine Aufgabe fordert, deutsche Satzfragmente in die richtige Reihenfolge zu bringen und um Präpositionen zu ergänzen. Dies erinnert mich an meine eigenen Fremdsprachenstunden aus der Schulzeit. Und mir fällt ein, dass gerade die Zuordnung von Präpositionen manchmal etwas knifflig war.

Eben so müssen die Flüchtlinge alles das, was für uns, aus sprachlicher Sicht, selbstverständlich ist, von der Pieke auf lernen. „Fehler machen ist wichtig. Daraus lernt man“, ermutigt Neuls freundlich „wenn ich selbst eine fremde Sprache lernen würde, würde ich auch viele Fehler machen.“ Die Lehrerin artikuliert sich sehr langsam und deutlich vernehmbar, unterstreicht ihre Worte mit eindeutigen Gesten. Die vornehmlich erwachsenen Schüler folgen ihr aufmerksam.

Vornehmlich deshalb, weil sich unter ihnen auch die 18 Monate alte Anastasia befindet. „Anastasia wird in unserem Kurs groß, sie ist von Anfang an mit dabei“, erklärt die Deutschlehrerin lächelnd. Ihr Mutter Erida Terziu nimmt mit viel Begeisterung am Unterricht teil. Sie beherrscht die deutsche Sprache schon recht gut. „Beim Einkaufen ist es jetzt einfacher“, erzählt sie entspannt, „auch im Kindergarten und in der Schule bekommen wir leichter zu deutschen Eltern Kontakt.“ Ihr Mann ist ebenfalls unter den Schülern und pflichtet ihr bei: „Anfangs war es schwer, aber es wird immer besser.“ Susanne Neuls und ihre ehrenamtlichen Kollegen machen es den Flüchtlingen aber auch möglichst leicht, denn die erfahren während des Lernens viel Lob und Ermutigung: „Schön! Das hast Du genau richtig gemacht!“

Mirela Zhapaj nimmt ohne ihren Ehemann an dem Kursus teil; seine Deutschkenntnisse sind schon recht gut, so dass er in Arbeit gebracht werden konnte. Auch sie weiß aus Erfahrung: „Es wird vieles leichter. Auch wenn es um Formulare geht, kann man sich besser verstehen. Die Lehrerin ist sehr nett. Es wird gut erklärt.“ Susanne Neuls lobt ebenso: „Am Anfang unterhielten wir uns in Englisch, das war erst mal unsere Hilfssprache. Jetzt ist es einfacher, Deutsch zu sprechen. Die Schüler werden zunehmend mutiger. Man darf nicht vergessen, dass zwischen Theorie und Praxis ein großer Unterschied besteht. Aber alle Schüler bleiben prima am Ball.“ Es dauere halt eine ganze Weile, bis eine Fremdsprache ins Blut übergehe, so dass man auch in ihr denke. „Aber das kommt mit der Zeit und mit der Übung“, bringt es die Ehrenamtlerin auf den Punkt.

Bis dahin jedoch könne auch der Nachwuchs prima für Abhilfe sorgen. „Kinder haben es leichter beim Lernen. Meine Kinder wissen es besser als ich. Sie sagen mir, wenn etwas falsch ist“, sagt Erida lachend, „sie helfen mir, wenn ich etwas in die Vergangenheit setzen muss. Dann sagen sie: Mama, das ist falsch! Das musst du anders sagen!“

Weitere Informationen zum Deutschunterricht: www.asylkreis-schwalmtal.de.

Wer sich ehrenamtlich als Deutschlehrer einbringen möchte, kann über die Rufnummer 02163/ 9898950 und per Email: susanneneuls@web.de Kontakt zu Susanne Neuls aufnehmen.

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Drei aufmerksame Schüler: Erida und Aleko Terziu mit Anastasia. Foto: Susanne Peters

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Der Deutschunterricht des Asylkreises Schwalmtal – hier erwerben und vertiefen die Flüchtlinge Sprachkenntnisse und tauschen Erfahrungen aus. Foto: Susanne Peters