– Faszinierendes Gedankenspiel in der Werner-Jaeger-Halle –
Lobberich (sp). „Was wäre, wenn…?“ Dieses altbekannte Gedankenspiel bildet die Ausgangssituation für das Drama „Konstellationen“, mit Suzanne von Borsody als Marianne und Guntbert Warns als Roland. Als Kammerspiel auf höchstem Niveau fordert die faszinierende Aufführung des Renaissance Theater Berlin, unter der Regie von Antoine Uitdehaag, die unbedingte Konzentration des Zuschauers.
Das Erfolgsstück des britischen Dramatikers und Drehbuchautors Nick Payne fußt auf der Hypothese, dass es eine unüberschaubare Anzahl von Paralleluniversen gibt, die sich bei jeder getroffenen Entscheidung weiter miteinander verästeln. Dies bedinge, dass auch Lebensverläufe, hier vordergründig die Partnerschaft, in unendlich vielen Varianten existieren.
Eindrucksvoll füllen die sich immer wieder neu persönlich und emotional begegnenden Akteure ihre Rollen mit einer Vielzahl von Facetten: Das Paar befindet sich in periodischen Lebenssituationen, mit jeweils gleichem Text, wieder, was, eben entgegen einer linearen Folge, stets neue unerwartete Entwicklungen anstößt. Damit lässt es unzählige Konstellationen entstehen, woraus immer wieder neue Handlungsstränge mit einer jeweils anders strukturierten Ordnung resultieren.
Quantelung und Stringtheorie erhalten hier im wahrsten Sinne des Wortes eine Stimme, denn es ist sicher kein Zufall, sondern Ironie, dass Marianne eine intelligente Quantenphysikerin mimt, die über Konstellationen, Elementarteilchen und die Relativitätstheorie spricht. Roland hingegen ist von Beruf Imker und befindet sich auch gedanklich in einer Art Mikrokosmos, wenn er aus der Bienenperspektive Bezüge zur menschlichen Realität herstellt. So finden sich Marianne und Roland immer wieder als Paar, oder auch nicht. Sie lösen gemeinsam variierende Konflikte oder flüchten – mal sie, mal er. Tonfall, Mimik und Gestik sind entscheidend dafür, wie und ob es überhaupt weiter geht.
Das ist nicht nur äußerst spannend, sondern außerordentlich anregende und amüsante Unterhaltung auf höchstem Niveau, exzellent gespielt und improvisiert. Susanne von Bosordy beeindruckt durch Liebenswürdigkeit und eloquente Überzeugungskraft. Guntbert Warns besticht sowohl als spröder, scheinbarer Nihilist wie auch als sympathischer Charmeur. Dabei ist ihrem eindringlichen und beeindruckenden Spiel sehr wohl anzumerken, dass die beiden Schauspieler eine jahrzehntelange, vertrauensvolle Zusammenarbeit miteinander verbindet.
Vielleicht lässt sich das variationsreiche Stück in einer simpel, jedoch eindeutig formulierten Forderung von Borsodys, mit der etliche Szenen enden, symbolisch zusammen fassen: „Alternativen. Ich brauche eine Wahl. Kontrolle.“
Text und Fotos: Susanne Peters