Das Kind als Objekt


Kommentar zum Pressesymposium „Institutionelle Übergriffe auf unsere Kinder“

Von Susanne Jansen

Jeder von uns hat sein eigenes lebendiges Universum im Kopf. Das sind all die kleinen und großen persönlichen Erlebnisse, die uns von unserem ersten Schrei an begleiten und sich tief in unser Gedächtnis einbrennen. Wenn wir geboren werden, haben wir dafür, im wahrsten Sinne des Wortes, noch keine Begrifflichkeiten, wir können es nicht formulieren. Das Erinnern beginnt da, wo uns frühkindliche Erlebnisse entscheidend prägen und persönlich sehr bewegen, und es beginnt dann, wenn wir diese Begebenheiten in Bildern und Worten gedanklich und emotional reproduzieren können. Bei Erinnerungen handelt es sich quasi um fotografische Eindrücke oder auch um vor unserem geistigen Auge ablaufende Filme, begleitet von Gesagtem und Gehörtem. Sogar Gerüche und Düfte können wir in unserem Innern wiederbeleben. Je stärker die erlebten Gefühle, desto intensiver die Erinnerung. Es gibt sehr schöne, aber, im wahrsten Sinne des Wortes, auch schier unsagbar Schreckliche, und die können sich dann, in der Kindheit zum eigenen Schutz verdrängt, unter Umständen, im Laufe des Lebens, als Posttraumatisches Belastungssyndrom in einer beeinträchtigten oder gestörten Wahrnehmung sowie unterschiedlich gearteten emotionalen Flashbacks oder Ausbrüchen entladen.

Was ist Ihre älteste Erinnerung? Meine ist mein erster Pseudokruppanfall – ich war zwei Jahre alt und hatte Todesangst. Ich kann mich minuziös an dieses Erlebnis erinnern. Ich sehe mich noch heute verzweifelt aus dem Gitterbett klettern, begleitet von wahnsinnigen Rachenschmerzen und bellendem Husten und einer pfeifend-brechenden Stimme, die versucht, gehört zu werden, während ich ins Schlafzimmer meiner Eltern renne: „Mama, Mama, ich kann nicht mehr reden!“ Ich hatte furchtbare Angst und dachte, ich ersticke. Todesangst.

Es sind die besonders intensiven Emotionen, die dafür sorgen, dass wir nicht vergessen. Eine tiefgreifende Angst hat eine ganz besondere Qualität und begleitet uns (latent) weiter. Sie kann uns unter Umständen für den Rest unseres Lebens schwer beeinträchtigen. Der Kinderarzt jedenfalls sagte: „Wenn das Kind in die Schule kommt, ist dieser Zirkus normalerweise vorbei.“ Das ging allerdings bis zu meinem elften Lebensjahr so und hieß bis dahin Trachitis, die Symptome sind die gleichen. Das hat mich so geprägt, dass ich bis ins frühe Erwachsenenalter, bei jedem abendlichen Kratzen und einem komischem Gefühl  im Hals, Angst hatte und noch potenziell mit Anfällen rechnete, als es längst vorbei war. Eben das ist es, worauf ich gerade grundsätzlich hinaus will. Und hier geht es doch im Grunde nur um Husten.

Noch mal: Was ist Ihre älteste Erinnerung? Ist es eine schöne? Umso besser! Aber können Sie sich noch heute an Ihre kindlichen Ängste erinnern? Wissen Sie noch, wie Sie sich dabei gefühlt haben? Gehen Sie zurück, stellen Sie es sich vor. Sie sind physisch klein, Sie fühlen sich ausgeliefert, Sie fühlen sich hilflos. Vielleicht sogar allein. Voller Angst. Verstört. Können Sie als Erwachsener es sich heute vorstellen, wie es sich für Sie als Kind angefühlt hätte, wenn Sie von den Menschen emotional und/oder körperlich missbraucht worden wären, denen sie am meisten vertrauten? Versuchen Sie es! Oder wie muss es sich anfühlen, wenn das Kind umgekehrt aus seiner vertrauten Umgebung gerissen wird, entfremdet und misshandelt oder missbraucht wird? Wie hätten Sie selbst sich damals, als kleines Kind, gefühlt? Können Sie sich, die Hilflosigkeit, den Ekel und das Gefühl der Erniedrigung, noch ohne die emotionale Reife zu besitzen, ohne die Dinge überhaupt richtig bewerten zu können, in vollem Umfang vorstellen? Das Kind hat keinen Halt mehr, es ist komplett ausgeliefert, und es sieht sich nicht in der Lage, sich jemandem anzuvertrauen, wenn es noch dazu perfide unter Druck gesetzt wird. Was ist die Folge? Das Kind wird zum benutzten Objekt, und es sieht sich selbst ebenfalls so. Es verliert seine innere Mitte, seinen Halt, es hat diffuse Schuldgefühle, es beginnt sich wertlos zu fühlen, es zerbricht. Für immer. Womöglich tut es sich später im Leben etwas an. Oder anderen.

Gehen wir noch weiter: Wie muss es sich für ein Baby anfühlen, missbraucht zu werden? Das ist keine Frage, die man sich gerne stellt – ich mir auch nicht -, und schon gar keine, die man beantwortet haben möchte, oder? Viele Babys überleben dies nicht. Wie wird es von Kindern erlebt, wenn sie selbst Zeuge von rituellem Missbrauch und Mord werden oder gar noch als Beteiligte mit eingebunden werden? Sie wollen all das nicht wissen? Sie sollten es wissen wollen. Sie müssen hinsehen. Es ist nicht nur Ihre menschliche Pflicht, Ihr Herz sollte es wollen – unabhängig davon, ob Sie selbst Kinder haben oder nicht. Jeder Mensch, der um ein, noch dazu derart schreckliches, Unrecht weiß und schweigt, belädt sich mit Schuld. Die Schuld in einem solchen Zusammenhang vergeht nie, auch wenn man von ihr nichts wissen möchte.

Eine weitere Erinnerung als Beispiel: Einmal spielte ich mit drei Freundinnen auf einer Baustelle. Wir fanden ein Pornoheft mit Darstellungen, die den Horizont eines Kindes bei Weitem überschreiten. Ich war elf. Während meine Freundinnen lachten, merkte ich, wie mir eine heiße Scham- und Angströte ins Gesicht stieg. Ich weiß noch, dass mich wochenlang ein komisches Gefühl begleitete, fast quälte, über das ich aber nicht sprach, was mich ebenfalls quälte. Ich kann mich noch immer deutlich daran erinnern, wie es sich damals anfühlte und mir länger nachlief. Und dabei handelte es sich nur um Bilder, noch nicht einmal um physische Erlebnisse. Haben Sie als Kind Ähnliches erlebt? Wie fühlte es sich an?

Die Realität, die ein Kind bei einem sexuellen Missbrauch erlebt, muss derart unerträglich sein, dass man es sich als Erwachsener in vorauseilender Ablehnung emotional nicht vorstellen kann oder besser will. Aber gerade deshalb ist es doch umso perverser, wenn erwachsene Menschen sagen: „Mit diesem Thema will ich mich nicht beschäftigen! Das ertrage ich nicht.“ Alleine beim Schreiben dieses Satzes empfinde ich eine Art Fremdscham, und offen gesagt, macht es mich ziemlich wütend. Was sollen denn erst die betroffenen Kinder sagen, die dieses unglaubliche Leid erfahren und die für immer traumatisiert und geprägt werden?

Natürlich geht all das auch Erwachsenen an die Substanz, wenn sie sich in diese Gedanken und Gefühle auch nur im Ansatz versuchen hinein zu versetzen. Ich finde, das Letzte jedoch, was hier weiterhelfen kann, den Missbrauch, sei es innerhalb der Familie, außerhalb im weitläufigen Umfeld und innerhalb ritueller Praktiken zu stoppen, ist Ignoranz. Ignoranz ist hier unterlassene Hilfeleistung. Ignoranz ist einfach. Ignoranz ist feige. Das gilt für jeden Menschen, also auch für mich. Wozu führt in diesem Kontext eine globale Frühsexualisierung, wie sie in Kindergärten und Schulen sichtbar eingeführt wird? Sollte uns all das nicht fassungslos machen, an unser Mitgefühl appellieren und uns zur Tat schreiten lassen, um Derartiges zu stoppen? Denn gerade aktuell werden außerdem „pädagogische“ Maßnahmen, wie zum Beispiel Workshops, in Kindergärten eingeführt, bei denen Bücher über das Demokratieverständnis bearbeitet werden. Schauen Sie sich das eine oder andere Buch genauer an. Was ist Demokratie? Die Verantwortungsumkehr von Eltern- in Kinderrechte?

Genau das ist es, was die Perversion auf die Spitze treibt: Es wird dem (Klein)Kind das Gefühl gegeben, alles selbst entscheiden und bewusst einwilligen zu können –  während die Frühsexualisierung als Menschenrecht auf dem Serviertablett mitgereicht wird. Lassen Sie sich emotional auf diese Gedanken ein. Wie wirkt das auf Sie? Und welche Konsequenzen hat es für unser aller Zukunft? Ich finde, wir müssen, wir müssen, wir müssen hinsehen und die besondere Tücke, das Öffnen von Tür und Tor für die Möglichkeiten der perversen Manipulation unserer Kinder und eine derartige perfide Form der Legalisierung von Pädophilie als Folge stoppen. Wir alle sind in der Verantwortung. Wir müssen mitfühlend und eigenverantwortlich handeln. In jeder Minute, in jeder Stunde, an jedem Tag werden Kinder missbraucht, das heißt, gewaltsam entrechtet und zu grausamen Dingen gezwungen, die wider ihre Natur sind und ihre kleinen Seelen zerstören. Auch jetzt, während Sie in Ihrem sicheren Schutzraum sitzen und diese Zeilen lesen.

Kommentar: Medienagentur Niederrhein, Susanne Jansen

Symbolbild: pixabay

, , ,