Hinter der Maske


– Macht regiert, Angst lähmt: Über den Zerfall des Gemeinschaftsgefühls –

Kommentar von Susanne Jansen

Soeben in einem kleinen Geschäft in meiner unmittelbaren Nähe, also im Kreis Viersen. Aushänge im Schaufenster bleiben von mir unbeachtet. Wie immer. Sechs Kunden habe ich in einer Schlange, in dem kleinen Raum vor mir. Sowohl die Angestellten als auch die Kunden tragen allesamt Maske. Ich fühle mich nicht eigentümlich angeguckt. Was sollen sie auch in meinem Gesicht lesen können? Nichts. Außer Gleichmütigkeit. Was könnte ich in ihren Gesichtern lesen? Nichts. Sie sind ja maskiert.

Maske kontra Menschenwürde

Als ich schließlich bedient werde, fragt die junge Angestellte freundlich, aber sehr leise: „Haben Sie eine Maske dabei?“ In meiner frühen Jugendzeit bin ich eine eingeschüchterte Pieps-Maus gewesen. Wenn ich öffentlich etwas gesagt habe, oder gar versucht habe zu widersprechen, geschah dies sehr leise, oft gehaspelt, am Rande des Hyperventilierens. Das hat sich, bereits mit Anfang 20, zum Glück begonnen, entscheidend zu ändern. Aber ich rede immer noch nicht gerne, also, nicht allzu viel, einfach so, ich philosophiere lieber, im Innersten. Zur damaligen Entwicklung passend ist meine gebückte Haltung bereits vor Jahrzehnten einer bewusst aufrechten gewichen. Ich damals, mich selbst motivierend, in meinem Inneren zu mir selbst, bis es schließlich zum Automatismus geworden ist: „Bauch rein, Brust raus, Schultern gerade!“ oder „Wenn Dir jemand nicht zuhört, dann wiederhol‘ dich. Sofort, sachlich, aber laut und deutlich! Gegebenenfalls noch mal.“ Denn schließlich habe auch ich etwas zu sagen. Am besten kurz und knackig auf den Punkt und gegebenenfalls mit einer angemessenen Prise Humor; denn ich weiß, allzu viel des gesprochenen Wortes kann irritieren.

Plan B

Ich beantworte ihre Frage nach dem Vorhandensein einer Maske entsprechend mit einem deutlich wahrnehmbaren, nicht unfreundlichen, aber fragenden und aus meiner Sicht aussagekräftigen: „Nein?“ Die freundliche Angestellte bedient mich und flüstert. „Wir müssen hier eine Maske tragen. Ich finde das auch übertrieben.“ Ich: „Hausrecht?“ Sie: „Ja, ich finde das auch nicht angemessen, aber wir müssen das machen und darauf hinweisen.“ Ich nicke. Verständnisvoll? Naja. Mimisch lasse ich mir nichts anmerken. Immerhin ist sie freundlich und diskret und hat mich nicht schon, als ich den Laden betreten habe, für alle Kunden wahrnehmbar, eindeutig angesprochen. Ich habe sogar einen Plan B in der Tasche. Hätte sie mich des Hauses verwiesen, hätte ich in freundlichem Tonfall „Dann nicht.“ geantwortet. Im gleichen gedanklichen Zuge hätte ich mir das Empfinden einer sich anbahnenden Blamage von vorneherein verboten und durch ein „Schultern bleiben gerade, Bauch drin, Brust raus!“ ersetzt – und im Folgenden das Lokal verlassen. Sie tut mir ein wenig leid. Ich sage aber: „Wenn wir alle das in der Gemeinschaft nicht mitmachen würden, dann wären die Masken ganz schnell verschwunden.“ Sie nickt. Mit gesenktem Blick. „Ich weiß.“ Auch die Angestellten sind eine Gemeinschaft. Kann man als Chef alle im Kollektiv rausschmeißen und ersetzen…?

Sinnhaftigkeit und Respekt

Sicher werde ich diesen Laden wieder betreten. Irgendwann. Aber nicht mit Maske. Wenn der einzelne Mensch für sich entscheidet, freiwillig eine Maske tragen zu müssen, dann werde ich mich hüten, ihm Vorschriften zu machen. Ich empfinde es nicht als christlich, sondern als menschlich: „Was Du nicht willst, das man Dir tu’…“ Ich denke aber schon: Was ist das? Angst (wovor?), verstecken, vielleicht sogar Unmündigkeit? Ich will nicht bevormunden, auch nicht voreilig bewerten, würde mir aber in dem einen oder anderen Fall nicht nehmen lassen, über Sinnhaftigkeit zu diskutieren, wenn sich eine fruchtbare (=intelligente) Plattform anbahnt. Es ist wichtig, Respekt zu wahren, und schnell auf den eigenen pointierten Punkt zu kommen. Gegebenenfalls überzeugen, nicht überreden. Das möglichst objektiv gefällte Lot aus dem eigenen Gedankenkomplex freundlich und nachvollziehbar im Außen verständlich zu machen und vor allem: SELBST ZUHÖREN. Genau so möge der Mensch sein wollen, denke ich mir: Ehrlich. Wertschätzend. Auf Augenhöhe. Sozial. Problemlösend. Lächelnd. Wenn es Aushänge mit derartigen Schlüsselwörtern (Grundkompetenzen) in Schaufenstern gäbe, anstelle von „Tragen Sie Maske…“ oder „Konsumieren Sie, konsumieren Sie, konsumieren Sie…“ würden wir uns nicht hinter einer (unsichtbaren) Konformitäts-und-ich-gehöre-dazu-Maske, eingepfercht verstecken wollen, sondern wir wären viel einfacher in der Lage, offen und achtsam über alles zu kommunizieren.

Vielleicht bringt diese Zeit, in der sich dringend in der Gemeinschaft etwas ändern muss, gleichwohl das eine oder andere Gute mit sich. Zum Beispiel grundsätzlich Menschlichkeit, Werte, das eigene Verhalten et cetera ganz neu zu denken, oder besser: sinnlich und gefühlt mit echtem Leben zu füllen… Ja!

(Medienagentur Niederrhein, Susanne Jansen)

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