Ein ganz besonderes Paar


– Eine Liebe für die Ewigkeit –

Von Susanne Jansen

Lobberich. Ende August feierten Irene und Christian Spieß, beide 96 Jahre alt, ein nicht ganz alltägliches Jubiläum in der Seniorenresidenz am Park: ihre Juwelenhochzeit. 72,5 Jahre verheiratet – das musste gebührend gefeiert werden! Viele Bewohner gesellten sich zum Jubelpaar, es gab Kaffee und Kuchen sowie Canapés, und natürlich gratulierte auch die Geschäftsleitung. „Es war eine sehr schöne Feier, wir haben uns beide sehr gefreut!“, stellt die Jubilarin fest und fügt lächelnd hinzu: „Nur heute war ich ein bisschen aufgeregt, weil ich ja wusste, dass jemand von der Zeitung kommt.“

Der Bann war schnell gebrochen, das sympathische Paar beschreibt, wie über einen derartig langen Zeitraum eine so intensive Liebesbeziehung einhellig und mit viel Wärme gelebt werden kann. „Die große Liebe verbindet uns von Anfang an bis heute. Es gibt kein Geheimrezept: Wichtig ist es, mit seinem Partner alles zu besprechen und sich gegenseitig zu unterstützen. Wir haben immer alles gemeinsam gemacht, sogar das Tapezieren und das Renovieren des Kellers“, berichtet Irene Spieß schmunzelnd.

Schon bevor sich die Liebenden begegneten, hatten beide sehr bewegende und aufregende Lebensereignisse bewältigt. Die 96-Jährige war in Thüringen aufgewachsen und erzählt entspannt: „Ich bin damals mit einem eigens dafür gedruckten Pass über die Grenze in den Westen gereist. Vorher habe ich ein wenig geübt, damit ich auf keinen Fall den ‚falschen‘ Namen sage und auch auf das um drei Jahre verjüngte Geburtsdatum achte, falls ich beim Übergang angesprochen werde. Es hat aber alles prima geklappt.“ Anschließend habe sie bei einer Frau gewohnt, die ebenfalls aus ihrer Heimat stammte. „Das war aber keine schöne Zeit, sie ließ mich von morgens, halb fünf bis spät in der Nacht, in ihrer Metzgerei schuften. Wenn ich das vorher gewusst hätte, wäre ich zu Hause geblieben“, das seien damals ihre verzweifelten Gedanken gewesen. Aber die heute rüstige Rentnerin hatte Glück: Sie verschwand und wurde von einer anderen Frau in Köln-Hürth aufgenommen, die sie kurzfristig einlud, gemeinsam das Dorffest zu besuchen.

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Fröhliche Stimmung bei der Juwelenhochzeit. Foto: KORIAN

Christian Spieß ist in Hürth aufgewachsen und wurde im Alter von 16 Jahren in den Soldatendienst befohlen. „Ich kam schließlich für vier ein halb Jahre in russische Gefangenschaft. Das Thema hat mich noch viele Jahrzehnte begleitet, ich habe immer wieder darüber gesprochen.“ Im Juni des Jahres 1950 begegneten sich die Beiden dann auf dem Dorffest. „Was ich allerdings nicht wusste, war, dass er der junge Mann war, den die Menschen mit viel öffentlichem Tamtam empfangen haben, als er endlich aus der Kriegsgefangenschaft zurück gekehrt war. Aber ich erinnere mich genau daran, wie peinlich es mir war, dass ich einen geliehenen Mantel meiner Begleiterin trug, weil es an jenem Abend recht kühl war“, erklärt Irene Spieß schmunzelnd. Die beiden haben sich jedenfalls sofort unsterblich verliebt, fährt sie fort, und so habe es auch nicht lange gedauert, dass sie gemeinsam im Februar des Folgejahres mit dem Fahrrad zum Standesamt fuhren und heiraten.

Gibt es ein Rezept für eine so außerordentlich lange Ehe? „Die große Liebe verbindet, das war immer so, und das ist heute noch so“, versichert Irene Spieß versonnen. „Wir verstehen uns heute noch sehr gut. Bei uns ist immer alles bestens gelaufen, weil wir immer alles besprochen haben und uns auch immer, alle Alltagsdinge betreffend, gegenseitig unterstützt haben. Man sollte sich nicht egoistisch verhalten, das ist ganz wichtig!“ Sie lacht: „Nur beim Blumenbeet da hat er mir nicht geholfen, wir hatten einen ganz tollen Steingarten, das war etwas für mich alleine.“ Für Hobbys habe es daneben keine Zeit gegeben. „Wir hatten immer viel Arbeit. Ich habe sechs Jahre lang bei ‚4711‘ in Köln gearbeitet und mich nach der Geburt unserer Tochter in einer Textilfabrik verdingt. Allerdings bin ich früher gerne schwimmen gegangen. Mein Mann hatte seine Ausbildung nachgeholt und in der Verwaltung von Rheinbraun gearbeitet. Er war ja zuvor im Krieg quasi von der Schulbank weg eingezogen worden.“

Jedoch wie es sich für waschechte Kölner gehört, habe die Familie immer gerne Karneval gefeiert. „Für mich sind das tatsächlich Feiertage!“, sagt Tochter Marita, das ehemalige Funkenmariechen strahlend. Ihrer Mutter fällt spontan eine besondere Anekdote ein: „Einmal hatte ich zu Karneval ein bisschen zu viel getrunken. Das hat Marita sehr erheitert: Sie begann, albern zwischen den Zimmern hin und her zu springen und wiederholte singend: Meine Mama ist besoffen, meine Mama ist besoffen!“ Nach ihrem Alter gefragt, antwortet Marita: „Ich bin 66 Jahre alt und wohne seit 43 Jahren in Nettetal. Für mich war es selbstverständlich, meine Eltern aus Köln hierhin zu holen, damit ich sie in meiner Nähe habe.“ Ihre Mutter fängt zur Erheiterung aller an zu singen: „Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an, mit 66 Jahren…!“ Marita weiß, dass es für ihren leicht dementen Vater alles ganz und gar nicht mehr so einfach ist. „Aber sie sind hier gut aufgehoben und so alt, wie meine Eltern sind, muss man erst mal werden!“, fügt sie lächelnd hinzu.

Text und Titelbild: Medienagentur Niederrhein, Susanne Jansen

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