„Gegenhass hilft nicht gegen Hass!“


Mit bunten Farben gegen braune Parolen

Von Susanne Jansen

Von 1969 bis 2005 arbeitete Irmela Mensah-Schramm als Erzieherin und heilpädagogische Lehrkraft. Fast 600 Ausstellungen zum Thema „Hass vernichtet“ veranstaltete sie bis heute.  In vielen Schulbesuchen dokumentiert sie ihre Arbeit, die Mensah-Schramm ohne finanzielle Unterstützung selbst trägt. Während ihrer Tätigkeit ist sie oft Anfeindungen und Androhungen von Gewalt ausgesetzt, auch Morddrohungen gab es bereits. Mehrere Verfahren wurden gegen sie eröffnet und wieder eingestellt. Die erste, im Jahr 1986 von ihr entfernte Propaganda hatte „Freiheit für Rudolf Heß“ gefordert. Seit 1991 dokumentiert sie die eigene unentgeltliche Tätigkeit. Bis heute umfassen die Nachweise der entfernten rechtsextremen Propaganda 144 Ordner. Seit ihrem Renteneintritt (2006) ist sie viermal pro Woche außer Haus, um Propaganda zu entfernen. Seit dem Jahr 2007 habe sie rund 135.000 Sticker und Graffiti beseitigt.

Drei Workshops leitete Irmela Mensah-Schramm unentgeltlich am Werner-Jaeger-Gymnasium sowie an der Gesamtschule Nettetal und an der Realschule, im Rahmen der Interkulturellen Woche 2023 („Neue Räume“). Ihr Motto lautete: Mit bunten Farben gegen braune Parolen. „Ich habe mich sehr gefreut, Frau Mensah-Schramm, im Auftrag des Integrationsrates, drei Tage lang begleiten zu dürfen und habe ihr auch unser schönes Nettetal mit seiner Natur gezeigt“, berichtet Andreas Zorn lächelnd. Während der gemeinsamen Erkundung der Region seien ein paar Hakenkreuze und menschenverachtende Aufkleber aufgefallen, die Mensah-Schramm direkt mit ihrem Schaber entfernt habe, sagt der Kaldenkirchener beeindruckt. Erschreckend sei, so Zorn, dass kürzlich jemand in die Fensterscheiben der Kaldenkirchener Realschule Hakenkreuze gekratzt hatte. „Hier hat die Schule Anzeige gegen unbekannt erstattet.“

Während der Workshops fesselte die gut gelaunte Berlinerin sehr lebendig durch ihre Schilderungen. Dabei bezog sie ihre Ausstellung „Hassschmierereien fotografiert und vernichtet“ ein und gab Einblick in ihre vielfältigen Erfahrungen beim Entfernen von verbotenen Nazisymbolen und Hassbotschaften. Ihre klare Aussage, um das Unrechtsbewusstsein zu fördern, lautet: „Gegenhass hilft nicht gegen Hass!“ Vielmehr gehe es darum, friedliche Antworten zu finden und kreative, menschenfreundliche Botschaften zu formulieren. Nur dies fördere ein friedliches, multikulturelles Zusammenleben. Es seien vor allem die Hassbotschaften in Augenhöhe, am Straßenrand, an der Bushaltestelle, vor und auf Bahnhöfen, die sich gegen Andersdenkende, anders lebende oder anders aussehende Mitmenschen richten. Mensah-Schramm führte eindrucksvoll vor, wie Parolen und Symbole, unter anderem durch Nagelackentferner und Ceranfeldschaber, verändert oder beseitigt werden können.

„Ich war sehr beeindruckt, mit welcher Begeisterung die Schüler an allen Schulen bei der Sache waren und sich ehrlich dafür interessierten, um selbst kreativ zu werden“, lobte die Aktivistin nach Beendigung aller Workshops, „gemeinsam haben wir Hassparolen in menschfreundliche und friedvolle, einladende Botschaften umgestaltet“ Die Ergebnisse der gemeinsamen Überlegungen und Arbeiten wurden schließlich in einer Vernissage in der Aula der ehemaligen Hauptschule in Kaldenkirchen präsentiert. Bürgermeister Christian Küsters würdigte dort nicht nur den leidenschaftlichen Einsatz von Mensah-Schramm, sondern er bedankte sich auch bei den Schulleitern, Lehrern und Schülern für ihre Bereitschaft, „sich konstruktiv mit der schwierigen Thematik auseinander zu setzen“. Auch Zorn resümiert dankbar: „Das war für alle Beteiligten ein Erlebnis, das noch lange in Erinnerung bleiben wird und Einfluss auf deren zukünftiges Handeln haben wird. Vor allem soll diese Signalwirkung durch Umetikettierung und Entfernung von Hassparolen in unserem alltäglichen Handeln permanent Raum finden. Das ist mein größter Wunsch!“

Die Berlinerin ist 77 Jahre alt. Was motiviert sie, deutschlandweit und ehrenamtlich ihre Workshops mit so viel Herzblut und Engagement anzubieten? „Ich sehe mich als Aktivistin für Menschenrechte, vor allem für Menschenwürde, und ich agiere aus einer tiefen inneren Überzeugung heraus“, antwortet sie lächelnd. Vieles laufe in der Gesellschaft schief, weil die Kommunikation nicht mehr stimme, so ist ihr Eindruck. Als eine Ursache sieht sie den im Alltag täglich überdimensional dominanten Einsatz des eigenen Handys, das permanent, mit Allem was jederzeit abrufbar ist, sehr viel Aufmerksamkeit bekomme und die Konzentration aufweiche – sowohl bei Kindern als auch bei erwachsenen Vorbildern.

„Die Menschen hören nicht mehr richtig zu. Es gibt falsche Verdächtigungen von allen Seiten – das ist mir selbst ja auch passiert.“ Wenn die 77-Jährige aufklären wolle, müsse sie aber von „Nazis“ sprechen, sonst verharmlose sie und der Zusammenhang stimme nicht, betont sie. Das jedoch werde ihr verweigert. Eine eigens erlebte Konsequenz aus dem unkenntlich Machen dieser Hassparolen fungiere als paradoxes Paradebeispiel: „Dann kommt in meine Richtung gleich der Vorwurf der Sachbeschädigung, deshalb wurde ich auch schonmal angeklagt, obwohl ich nichts Neues initiiert, sondern etwas übersprayt habe. Und ich weiß, dass diese bösen Botschaften die Vorurteile noch verstärken. Die Polizei kommt dann mit Ausreden und Verschiebung; sie behauptet: Jetzt fällt die Sachbeschädigung eines Anderen noch mehr auf!“ Spezielle Maßnahmen, wie die Präsentation von Stolpersteinen zum Beispiel, sehe sie als wenig erfolgreich an. „Dann sollte man lieber mit den Schülern reden und sie die Stolpersteine währenddessen reinigen lassen, um den symbolischen Wert und die klare Botschaft deutlicher erfassbar zu machen.“

Nach ihrem Besuch in Nettetal, den sie von allen Seiten als sehr herzlich und empathisch empfunden habe, habe sie sich im Nachgang noch ganz besonders über die E-Mail eines Schülers gefreut. „Er hat mir ehrlich geschrieben, dass er verstanden hat, warum es falsch sei, Parolen anzubringen, und er hat gesagt, dass er dies nicht mehr tun wird.“

Text: Medienagentur Niederrhein, Susanne Jansen

Fotos: Andreas Zorn

Titelbild: Irmela Mensah-Schramm zeigt, wie man böse Parolen in etwas Gute umetikettiert.

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